Transparenz? Do it yourself! Ihre Dienstnummer bitte...
Knapp ein Jahr ist es nun her, dass die gewaltsamen Übergriffe der Berliner Polizei auf die Teilnehmer_innen der Freiheit-statt-Angst-Demonstration ein großes mediales Echo entfacht haben. Insbesondere der Fall eines 37-jährigen Fahrradfahrers erregte damals wegen der von den Demonstrationsteilnehmer_innen im Internet veröffentlichten Videos große Aufmerksamkeit. Aufgrund des großen öffentlichen Drucks wurden Ermittlungsverfahren gegen die beiden Polizisten eingeleitet, wobei die Polizei es sich nicht nehmen ließ, das Opfer des Übergriffes wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte anzuzeigen. An den strukturellen Ursachen dieses Übergriffes hat sich seitdem leider nicht viel geändert – um nicht zu sagen: Gar nichts.
- Die Vorwürfe gegen das Opfer wurden erst nach 9 Monaten fallen gelassen. Die Staatsanwaltschaft stellte im Juli 2010 abschließend fest, dass es keinen Grund für den Übergriff gab.
- Dennoch läuft das Verfahren gegen die beiden Beamten weiterhin schleppend. Die Staatsanwaltschaft ist nicht gewillt, eine Aussage über mögliche Konsequenzen aus ihrer Feststellung zu treffen. Der Anwalt des Opfers spricht verständlicherweise davon, dass das Verfahren bewusst verzögert wird. Die befragten Polizisten änderten ihre Aussage nach Erscheinen weiterer Videoaufnahmen ab, zusätzliches Videomaterial deckte neue Widersprüche auf.
- Noch immer gibt es keine eindeutige Kennzeichnungspflicht für Polizist_innen, die eine Aufklärung von Übergriffen erleichtern und somit auch eine präventive Funktion zur Verhinderung von Polizeiübergriffen einnehmen würde. Eine unabhängige Ermittlungsbehörde zur Aufklärung von Straftaten durch Polizist_innen existiert ebenfalls nicht.
- Wir gehen davon aus, dass auch dieses Jahr entgegen der aktuellen Rechtsprechung und bar jeglichen Anlasses eine massive pauschale Überwachung der Demonstration durch Kamerateams der Polizei vorgenommen werden wird.
Bei der FSA 2010 wollen wir diesen Mißstand nicht stillschweigend akzeptieren, sondern selbst Transparenz bezüglich des Polizeieinsatzes schaffen. Wir rufen alle Demonstrationsteilnehmer_innen dazu auf, sich daran zu beteiligen:
- Fordert die Polizist_innen auf, ihre Schilder mit Namen oder Dienstnummer gut sichtbar zu tragen, wie der Berliner Polizeipräsident Glietsch es propagiert. Falls dies abgelehnt wird, fragt direkt nach der Dienstnummer oder dem Namen.
- Falls die Demo per Kamera überwacht wird: Weist die Beamt_innen darauf hin, dass das pauschale Filmen von Demonstrant_innen nur dann zulässig ist, „wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen“, dass von ihnen "erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen". Das dürfte bei der FSA schwer zu begründen sein. Sie können das auch gerne hier nachlesen: Verwaltungsgericht Berlin, VG 1K 905.09, Verwaltungsgericht Münster, 1 K 1403/08
- Falls sie weiterhin filmen, dokumentiert die konkrete Begründung der Überwachung und filmt den betroffenen Ausschnitt der Demo mit eurer eigenen Kamera (Gesichter entweder nachträglich anonymisieren oder beim Filmen auslassen!). Wir sind uns sicher, wir werden den Grund dann alle nachvollziehen können. Und falls nicht: Vielleicht möchte ja jemand klagen...
Um euch selbst und andere Teilnehmer_innen zu schützen, beachtet bitte einige Dinge:
- Bildet Gruppen von mindestens 3 bis maximal 5 Personen, um Polizist_innen anzusprechen.
- Führt pro Gruppe mindestens eine Kamera mit euch, um das Geschehen zu dokumentieren. Diese sollte deutlich sichtbar sein.
- Lasst euch nicht provozieren und tut dies auch nicht selber. Äußert den Polizist_innen gegenüber eure Absicht klar.
- Falls ihr eure Erlebnisse veröffentlichen wollt, tut dies auf jeden Fall in anonymisierter Form! Schließlich ist die FSA ein Protest für die Wahrung der Privatsphäre und gegen Überwachung.
Ihr könnt uns auch gerne unter datarecollective@so36.net kontaktieren (nutzt unseren PGP-Key)